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Forschungsprofil

Nachdem in den letzten 20 Jahren unter dem Stichwort „Spatial Turn“ in den Kulturwissenschaften vor allen Dingen  eine vertiefte Auseinandersetzung mit raumbezogenen Forschungsthemen stattgefunden hat, ist in jüngster Zeit verstärkt auf ein Defizit bezüglich der begrifflichen und philosophischen Grundlagen der Raumforschung hingewiesen worden. Obwohl aus der Philosophie für die Herausbildung dieses Forschungstrends wichtige Impulse ausgegangen sind, hat sie bislang selbst keine führende Rolle innerhalb der Raumdiskussion übernommen. Sie ist daher zu einer solchen Reflexion besonders aufgerufen.

Ein philosophischer Beitrag zur Grundlagenreflexion der Kulturwissenschaften unter den Bedingungen des Spatial Turns soll innerhalb des geplanten Graduiertenkollegs „Philosophie des Ortes“ durch eine Beschäftigung mit dem Ort geleistet werden, der in phänomenologischen Ansätzen schon seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts besondere Beachtung gefunden hat und der dazu dienen kann, auch den Raumbegriff stärker zu profilieren. So wendet sich die phänomenologische Wissenschaftskritik gegen den Primat der abstrakten naturwissenschaftlichen Raumvorstellung, indem sie betont, diese setze die Erfahrung von Orten voraus und nicht umgekehrt.

In dem geplanten Graduiertenkolleg soll der Ortsbegriff insbesondere (aber nicht ausschließlich) in neueren phänomenologischen und (post)strukturalistischen Ansätzen genauer untersucht und einer systematischen Analyse unterzogen werden. Der Fokus liegt dabei auf dem Ort als erkenntnis- und handlungsleitendem Prinzip und seiner fundamentalen Rolle als Sinneinheit in unserem Welterleben und -erkennen. Der Ort wird als fundamentales Prinzip der Kulturwissenschaften betrachtet, nicht als deren Thema. Es geht nicht darum, einen neuen Gegenstand als Forschungsfeld zu eröffnen, sondern reflexiv zu erfassen, unter welchen verdeckten Bedingungen die Kulturwissenschaften immer schon arbeiten.

Auf diese Weise ist nicht nur ein Beitrag zur systematischen und begrifflichen Fundierung der Kulturwissenschaften anvisiert, sondern auch eine Neubewertung der interdisziplinären Bedeutung von Phänomenologie und (Post-)Strukturalismus. Angesichts der Relevanz des Ortsbegriffs für die japanische Philosophie ist die Ausweitung der Perspektive über die westliche Philosophietradition hinaus von diesem Themenfeld aus ebenfalls möglich und wünschenswert.