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Silvia Carnelli (Doktorandin)

Das Projekt beschäftigt sich mit zwei Kulturorten, die eine bedeutende Rolle für die europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts gespielt haben.
Monte Verità ist ein Hügel im schweizerischen Tessin, auf dem 1900 eine alternative Gemeinschaft gegründet wurde. Ihr Ziel bestand in der Durchsetzung einer radikalen Lebensart nach dem Motto „Rückkehr zur Natur“, um den geistigen und gesundheitlichen Verfall der modernen Gesellschaft zu heilen. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde Monte Verità zum Treffpunkt zahlreicher Kulturbewegungen. Künstler der Avantguarde, Lebensreformer, Anarchisten, esoterische Geheimorden und letztlich die theosophische Gesellschaft „Eranos“ sammelten sich um das Sanatorium.


Glastonbury liegt in Somerset (England). Seit der Ausgrabung der Grabstätten von König Artus und seiner Frau Guinevere in der „Abbey“ im Jahre 1191 wird Glastonbury im kollektiven Gedächtnis als die legendäre Insel von „Avalon“ bezeichnet. Diese Bezeichnung ist mit dem nahegelegenen Hügel „Glastonbury Tor“, einem prä-christlichen Kultort, verbunden. Im Laufe des 20. Jahrhunderts sammelten sich in Glastonbury mehrere Kulturbewegungen, die sich an der keltischen Vergangenheit knüpften. Esoterische Geheimorden, neuheidnische Bewegungen (Druiden und Goddess Worshippers), Ley-Lines Hunters und die New Age Strömungen. Darüber hinaus findet seit 1970 auch das berühmte „Glastonbury Festival“ statt, das als Treffpunkt der alternativen Musikerszene gilt. 

Die Arbeit soll die kulturgeschichtliche Relevanz beider Orte innerhalb der Kulturgeschichte hervorheben. Zu diesem Zweck werden an erster Stelle die Gemeinsamkeiten zwischen den Kulturphänomenen erläutert, die sich in beiden Orten entwickelt haben. In der Tat sind diese auf eine einzige Kulturströmung zurückzuführen, die sich als „Neuromantik“ bezeichnen lässt. Denn in beiden Fällen handelt es sich um Bewegungen, die sich nach den folgenden Vorstellungen richten: Der „Sakralisierung“ der Natur und der mythischen Vergangenheit, der der Kritik an der materialistischen und kapitalistischen Gesellschaft, der Suche nach der Freiheit von den Dogmen der geistlichen und der säkularen Institutionen, der Vermittlung zwischen dem „Alten“ und „Bekannten“ mit den „Neuen“ und „Unbekannten“ (z.B. den  fernöstlichen Spiritualitätsformen). Schließlich werden Monte Verità und Glastonbury als Kulturprojektionen der Neuromantik des 20. Jahrhunderts analysiert. Zur Beschreibung ihrer Funktion für das kollektive Gedächtnis wird letztlich Foucaults Konzept der „Heterotopien“ verwendet.


Schließlich besteht das Hauptziel der Dissertationsarbeit darin, die Vielfalt an „Kulturprojektionsformen“ zu untersuchen, die sich in beiden Orten manifestiert haben, sowohl durch die Grundsatzprogramme der Kulturbewegungen („Cultural Resonance“) als auch durch die ortsgebundene und ortsgewidmete Literatur („Literary Representation“). Darüber hinaus soll eine solche Analyse zur philosophischen Diskussion über die „Konstitution“ von Kulturorten bilden, die zu den zentralen Themen der Forschung der Graduiertenakademie „Philosophie des Ortes“ gehört.