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Gayla Rosenstein (assoziiertes Mitglied)

Im Zentrum des Projektes steht ein „Ort des Todes“. Es handelt sich um eine römische  Nekropole die zu der römische Militär- und Zivilsiedlung Oberstimm Oberbayern gehörte. Ein Friedhof ist immer eine große Herausforderung für die Forschung. Das ist eine wunderbare  Informationsquelle, nicht nur über sepulkrale Kulte, Jenseitsvorstellungen und Sitten, sondern auch über das gesamte Leben der damaligen Menschen. Wer den Tod erkennen kann, könnte auch das Leben erleben, sagt eine alte vedische Sage. Die große moderne Forscherin des Sterbens und Todes Elisabeth Kübler Ross ergänzt: „Der Tod ist nicht eine Sache des Glaubens, sondern eine Sache des Wissens“.

Das frührömische Kastell, dessen antiker Name bis heute noch unbekannt bleibt, liegt unter dem modernen Dorf Oberstimm (jetzt Ldkr. Pfaffenhofen) an der südlichen  Stadtgrenze der Stadt Ingolstadt in Bayern. Das Kastell erstreckte sich bis  auf das südliche Donauufer und gehörte der frühen Periode der Gründung des rätischen Limes auf der südlichen Seite des Flusses an. Wahrscheinlich lagen hier Hilfstruppen des römischen Heeres (auxilia), die eine römische Anwesenheit  im Voralpenland ab der zweiten Hälfte des 1. Jhr. n. Chr. sicherten. Oberstimm verlor seine militärische Bedeutung, als sich die Grenze des Reiches  in den 20-er Jahren des 2. Jhr. n. Chr. über die  Donau  nach Norden verschob. Danach wandelte sich das Kastell in eine reine Zivilsiedlung (vicus) um, die bis ins  3. Jhr. n. Chr. existierte.

Das dazu gehörende römische Gräberfeld  lag südwestlich der Siedlung (extra muros) auf der südlichen Seite der aus dem Kastell nach Westen verlaufenden Römerstraße. Der römische Friedhof Oberstimm wurde in den 60-er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts  entdeckt. Die Bergungsarbeiten beschränkten sich vor allem auf das Aufsammeln  der archäologischen Reste aus den Schichten unter dem Humusabtrag des Baggers. Heute befindet sich dieses Gelände unter dem Wasserspiegel eines künstlich geschaffenen Weihers. Die  Funde warten seit Jahrzehnte auf eine fachliche Bearbeitung und Interpretation. Sie zieren mehrere Vitrinen der Dauerausstellung des Stadtmuseum Ingolstadt, ein anderer Teil liegt im Museumsmagazin.

Die Hauptaufgabe des Promotionsprojektes wird eine  fachliche archäologische Bearbeitung und Darstellung dieses sepulkralen Ortes und der dazu gehörenden Artefakte nach heutigen Kriterien sein. Der Anfangspunkt der Forschungsarbeit soll die Erstellung eines neuen einheitlichen Kataloges des römischen Friedhofes Oberstimm sein. Das wird die Basis für weitere Beobachtungen und Ausschlüsse darstellen. Die vorläufige Bearbeitung der archäologischen Materialien bringt viele Einzelheiten über Bestattungsriten und Toten- und Jenseitsvorstellungen der damaligen Bevölkerung des Ortes.  Die korrekt  abgelesenen Details bringen wichtige Informationen über das religiöse und spirituelle Leben des Individuums sowie über seinen sozialen und wirtschaftlichen Status. Betrachtet werden auch andere Aspekte des Lebens, z.B. die ethnische Zugehörigkeit und Herkunft der Siedler, die Völkerwanderung, die Handelsbeziehungen und vor allem die Rolle des Militärs im Hintergrund. Unter einer Analyse gesetzt werden auch  vergleichbare „Orte des Todes“ aus der Provinz, um  dadurch ein vollständiges Bild zum Thema „Tod am rätischen Limes“ zu  erhalten. Besondere Aufmerksamkeit wird der Präzisierung der chronologischen Grenzen des Friedhofes gewidmet.

Die Dissertationsarbeit setzt sich auch als Ziel eine moderne Sichtweise auf manche ewigen Fragen darzubringen. Die Autorin wird versuchen das Thema nicht nur archäologisch, sondern auch philosophisch und soziologisch zu betrachten. Untersuchungen der schriftlichen und ethnografischen Quellen werden auch einen wichtigen Teil der Forschungsarbeit darstellen.