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Dr. Annika Schlitte (Post-Doc)

Das Projekt widmet sich der Frage, welche Rolle der Ort für die Erfahrung des Erhabenen in der Natur spielt. Es soll herausgearbeitet werden, inwiefern die besondere Gestaltung der Mensch-Natur-Beziehung, die im Erhabenen erfahrbar wird, von einer örtlichen Vermittlung abhängig ist, wie sie in neueren Ansätzen zu einer Philosophie des Ortes zum Thema gemacht wird. Der Theoriestrang, welcher den Ort („place“) vom physikalischen Raum („space“) abgrenzt und seine fundamentale Bedeutung für unsere Welterfahrung betont, findet zwar im Kontext des Spatial Turn verstärkt Beachtung, bisher gibt es jedoch wenige Einzeluntersuchungen zur Analyse und Systematisierung von Ortserfahrungen in verschiedenen Bereichen der Lebenswelt. So müsste z.B. eingehender untersucht werden, welche Rolle der Ortsaspekt der Erfahrung im Hinblick auf unser Naturverständnis spielt. Für ein solches Vorhaben stellt das Erhabene einen geeigneten Untersuchungsgegenstand dar, wenn man den Naturbezug, der für die philosophische Behandlung dieser Erfahrung im 18. Jahrhundert wesentlich war und der in der postmodernen Diskussion der 1980er-Jahre aus dem Blickfeld geraten ist, wieder ins Zentrum stellt. Eine Neufassung des Naturerhabenen, die den Ortsaspekt betont, könnte gerade angesichts der Bemühungen um ein neues, nicht-reduktionistisches Naturverständnis interessant sein. Parallelen ergeben sich dabei zur Thematisierung der religiösen Ortserfahrung in der Religionsphänomenologie sowie zur Auseinandersetzung mit Ort und Landschaft in der Land Art der 1970er-Jahre. Der Einbezug dieser Theoriekontexte soll dazu beitragen, die Erfahrung des Erhabenen als eine Art Transzendenzerfahrung zu fassen, die an einem konkreten Ort ihren Ausgang nimmt und die Natur als das Andere des Menschen erfahrbar macht. Mittels einer solchen Untersuchung kann dann erstens die aktuelle, angelsächsisch geprägte Philosophie des Ortes mit einem Traditionsbegriff der Philosophiegeschichte in Verbindung gebracht und auf ihre Fruchtbarkeit hin überprüft werden, zweitens wird so eine neue Systematisierung für die unübersichtliche Begriffs- und Ideengeschichte des Erhabenen vorgeschlagen.